Freitag, 14. Januar 2011

Bruno schreibt aus Kalabrien an Radulf, 1

Stets gespannt erlahmt der Bogen

Dieser Brief Brunos aus seiner ersten Einsiedelei Santa Maria in Torre in Kalabrien an Radulf, der einstmals mit ihm in die Einsamkeit ziehen wollte, aber diesen Schritt nicht wagte. Der Briefabschnitt zeigt uns, wie wichtig Ausgewogenheit im Leben (auch) für den Kontemplativen ist.

(1) „Ich hause in einer Einsiedelei in Kalabrien. Sie liegt ganz und gar abseits von sonstigen menschlichen Ansiedlungen. Dort lebe ich mit anderen Ordensbrüdern zusammen. Einige von Ihnen sind sehr gebildet. Sie alle stehen gleichsam auf göttlichen Wachtposten, „sie warten auf die Rückkehr des Herrn, dass sie ihm sofort öffnen, wenn er anklopft“ (Lk 12,36). Ich kann nicht angemessen genug die herrliche Lage dieser Einsiedelei beschreiben, ihre angenehme und gesunde Luft, die weite und wunderbare ebene, die sich zwischen den Bergen hindurch erstreckt mit ihren grünen Wiesen, blühenden Weiden; weiter ist da der Anblick der Hügel, die sich überall sanft erheben, die stillen schattigen Täler mit vielen lieblichen Flüssen, Bächen und Quellen. Dazu kommen wasserreiche Gärten und die verschiedensten reich tragenden Fruchtbäume.


Aber damit möchte ich mich nicht länger aufhalten, denn natürlich gibt es noch andere Freuden, die für einen weisen weit herrlicher und nutzbringender sind, da es sich um göttliche Freuden handelt. Und dennoch dienen die genannten Freuden häufig der Entspannung und Erholung, wenn der Geist von den recht strengen Weisungen der Regel und von geistlichen Übungen ermüdet und geschwächt ist. Denn wenn ein Bogen ständig gespannt ist, wird er locker und vermag seinen Zweck nicht mehr zu erfüllen."
(Greshake/Weismayer, Quellen geistlichen Lebens, B. II, Grünewald-V. 1985, S. 24f)

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